Hausbau vs. Mieten
In diesem Post gehe ich auf die Frage „Hausbau oder mieten – was ist besser?“ ein. Wichtig ist mir dabei die Diskussion auf eine breitere Basis zu stellen. In vielen Fällen wird die Frage oft eindimensional, nämlich nur in Hinblick auf die Rendite, und zudem noch falsch diskutiert.
Falsch im Sinn der folgenden Argumentation der Eigentümer einer Wohnimmobilie:
„Ich möchte ein eigenes Haus, weil ich die Nase voll davon habe, jeden Monat so viel Miete an jemand anderen zu überweisen. Das ist wie Geld zum Fenster hinauswerfen. Wenn ich eine Immobilie kaufe und finanziere, zahle ich zwar auch, aber diese Ausgaben kommen wenigstens mir selbst zugute, weil ich damit Eigentum bilde. Wenn ich meinen Kredit abbezahlt habe, wohne ich dann quasi kostenlos.“
Dieses Märchen der verschenkten Miete bzw. die Betrachtung der Rendite, ist zudem lediglich ein Teilaspekt für die Beantwortung der Fragestellung. Grundsätzlich lassen sich die Aspekte in die zwei großen Themengebiete Vermögensanlage und Lebensstil unterscheiden.
Vermögensanlage
Rendite
Das Märchen von der verschenkten Miete
Um die Frage nach der Rendite korrekt beantworten zu können, müssen mehrere Punkte beachtet werden:
- Das gebaute Haus ist absolut identisch mit dem zur Miete.
- Beide wohnen gleich lange in ihrer Immobilie.
- Das Anfangsinvestment in Höhe des Eigenkapitalanteils des Hausbauers wird vom Mieter in ein Investmentportfolio investiert.
- Betriebskosten, wie Energie oder Wasser bzw. umlegbare Nebenkosten werden nicht berücksichtigt, da diese für beide gleich hoch anfallen und somit bzgl. der Rendite neutral sind.
- Alle laufenden Erträge (Zinsen und Dividenden abzüglich Steuern) werden in das Wertpapierportfolio reinvestiert um vom Zinseszinseffekt zu profitieren.
- Die Differenz zwischen (höherer) Belastung des Hausbauers (Annuität + laufende Kosten) und dem (niedrigeren) Mietzins investiert der Mieter jeden Monat in sein Investmentportfolio. Ändert sich im späteren Verlauf oder nach Ende der Finanzierung der Vorteil zu Gunsten des Hausbauers, investiert dieser in ein identisches Investmentportfolio.
Nur durch diese Weise haben der Hausbauer und der Mieter sowohl bei der Erstinvestition als auch in jedem der folgenden Jahre betragsmäßig die gleichen Gesamtzahlungsströme, wenngleich sich diese aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzen. Nur so ist ein aussagekräftiger Vergleich der zwei Varianten möglich.
In allen anderen Fällen, wie in der Einleitung genannten Beispiel vom Märchen der verschenkten Miete, kann keine objektive Bewertung der Rendite erfolgen.
Wer von den beiden am Ende der Betrachtungsperiode besser dasteht, ist bei einer solchen Betrachtungsweise ganz einfach anhand des Unterschiedes beim Vermögensendwert ablesbar.
Die folgenden Tabellen stellen die jeweiligen Zahlungsströme dar, die jeweils bei den zwei Parteien auftreten.
Die korrekte Berechnung dieser Zahlungsströme unter Berücksichtigung aller Faktoren über z.B. 30 Jahre ist nicht trivial (Zinseszins, Inflation, ausgeglichene Einzahlungssumme, …). Es müssen zudem einige Annahmen über mehrere Jahrzehnte getroffen werden, die das Ergebnis erheblich in die eine oder andere Richtung beeinflussen können. Wer kann jetzt Vorhersagen über die Inflation oder Wertsteigerung des Hauses in 20 Jahren machen?
Das unten verlinkte 30 minütige Video vermittelt einen sehr guten Einblick sowie mehrere Beispiele mit einem Rechentool dazu.
In dieser Berechnung bzw. den Beispielen wird immer davon ausgegangen, dass sowohl das eigene Haus als auch das gemietete Haus identisch sind. In Realität ist es jedoch oft so, dass der Hausbau dazu verleitet oder zwingt (vorübergehend), in einer Immobilie zu wohnen, die eigentlich zu groß ist (z.B. wird bereits für zukünftige Kinder geplant). Dies führt zu totem Kapital, da dieses nicht anders investiert werden kann. Als Mieter kann ich mit Kindern in eine größere Wohnung/Haus und nach Auszug der Kinder wieder in eine kleinere Wohnung ziehen.
Risiko
Aspekte und Fragen aus Sicht Hausbau
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Konzentrationsrisiko: Durch den Hausbau ist ein großer Teil oder sogar mein komplettes Kapital in einer Anlageklasse gebunden. Würde ich den gleichen Geldbetrag in eine einzelne Aktie investieren?
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Anschlussfinanzierung: Bei einer Hausfinanzierung ohne Zinsbindung über den kompletten Darlehenszeitraum muss zu einem späteren Zeitpunkt für die noch offene Darlehenssumme eine neue Finanzierung abgeschlossen werden. Kann ich die monatliche Annuität auch noch bedienen, wenn die Zinsen nicht mehr historisch tief sind, sondern z.B. 7,5 % p.a. wie der durchschnittliche Hypothekenkreditzinssatz in Deutschland.
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Wie verändern sich die gesetzlichen Vorgaben für Wohnungen in den nächsten Jahren z.B. aufgrund Klimaschutz. Muss dann z.B. in neue Wärmedämmung investiert werden?
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Ist mir bewusst, dass ich die Rate für den Kredit über die komplette Darlehenslaufzeit (z.B. 30 Jahre) bedienen muss? Ist dabei genügend Sicherheitspuffer wie z.B. kurzfristige Arbeitslosigkeit einberechnet? Bis zur kompletten Abzahlung des Darlehens gehört das Haus der Bank.
Liquidität
Aspekte und Fragen aus Sicht Hausbau
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Vor allem Häuser am Land sind sehr illiquide. Dabei spielt oft weniger die große Kaufsumme eine Rolle als die persönlichen Vorstellungen und Wünsche der potentiellen Käufer an ihr zukünftiges Haus.
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Mein komplettes Kapital ist im Haus gebunden. Bei einem kurzfristigen Kapitalbedarf kann nicht ein Zimmer oder der Schornstein verkauft werden.
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Habe ich genügend finanzielle Mittel um auch einen größeren Kapitalbedarf in der Zukunft zu decken?
Aspekte und Fragen aus Sicht Mieten
- Bei einem kurzfristigen Kapitalbedarf kann ein Teil des Anlageportfolios (z.B. Aktien) sehr schnell verkauft werden.
- Möchte ich vielleicht kurz vor der Rente eine Weltreise unternehmen oder meinem Kind das Auslandsstudium finanzieren?
Zwangssparvertrag
Eine kreditfinanzierte Wohnimmobilie zwingt zum Sparen.
Wie im Abschnitt zur Rendite aufgezeigt wurde, ist die monatliche Zahlungsbelastung für den Hausbauer für 20 bis 30 Jahre (je nach Zinsniveau und Tilgungsdauer) höher als die eines vergleichbaren Miethaushalts. Daraus ergibt sich das Phänomen des positiven Zwangssparvertrages. Der Vergleichsmieter unterliegt diesem Sparzwang nicht. Seine niedrigeren Wohnaufwendungen geben ihm jeden Monat frei verfügbare Mittel relativ zum Eigenheimbesitzer. Diesen Vorteil verkonsumiert er meist, anstatt ihn wie der Eigenheimbesitzer zur Vermögensbildung einzusetzen.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass im Rentenalter Menschen mit einer Wohnimmobilie vermögender sind als „Dauermieter“. Dies hat aber weniger mit der überdurchschnittlichen Rendite einer Wohnimmobilie zu tun als viel mehr mit folgenden zwei Aspekten:
- Der Mieter erbringt über den Gesamtzeitraum eine geringere Sparleistung als der zum Zwangssparen verpflichtete Selbstnutzerhaushalt.
- Der Mieter investiert aus Unkenntnis meist in eine schwach rentierende Anlageform, wie etwa ein Sparkonto oder eine Kapitallebensversicherung.
Lebensstil
Weiß ich wie ich in 30 Jahren leben will? Wusste ich vor 10 Jahren, dass ich so wie jetzt leben werde?
Emotional
Aspekte und Fragen aus Sicht Hausbau
- Ist es mir wichtig in einem Haus nach eigenem Entwurf und selbst gewählter Ausstattung zu wohnen?
- Möchte ich jeden Tag in „mein“ Zuhause heimkommen, ich fühle mich dann einfach besser?
- Möchte ich Änderungen an meinem Haus / Garten / Grundstück frei durchführen zu können?
- Kann ich noch ruhig schlafen, wenn ich weiß für die Dauer der Hausfinanzierung (z.B. 30 Jahre) jeden Monat einen Rate bezahlen muss bzw. ich einen hohen Schuldenberg habe?
Aspekte und Fragen aus Sicht Mieten
- Reicht es mir die Wohnung mit Möbeln nach meinen Bedürfnissen einzurichten?
- Wenn mir die aktuelle Wohnung nicht mehr gefällt bzw. zu alt ist, ziehe ich einfach in einen Neubau mit neuer Technik (Küche, elektrische Rollläden, neuer Wärmedämmung).
- Auch als Mieter kann ich meinen eigenen Garten haben und dort mein Hobby „Gartenarbeit“ ausüben.
- Die Renditen in anderen Kapitalanlagen wie dem Aktienmarkt kommen nicht immer Jahr für Jahr sondern nach 5 Jahren Underperformance kann es in einem Jahr um mehr als 300% steigen. Kann ich diese Volatilität meines Investmentportfolios emotional ertragen? Kann ich noch ruhig schlafen? Laufe ich Gefahr bei einem Crash hysterisch zu werden und zu verkaufen?
- Auch bei einem Haus bzw. am Immobilienmarkt gibt es eine große Volatilität. Im Vergleich zu z.B. Aktien können die Preise von Immobilien nicht täglich mit einer Veränderung in Prozent in der Zeitung gelesen werden.
Flexibilität (örtlich)
Aspekte und Fragen aus Sicht Hausbau
- Was passiert, wenn ich meinen Job wechseln will, bei unerwarteter Krankheit, Todesfällen in der Familie, ich auswandern will?
- Was passiert, wenn ich mich von meinem Partner trenne mit dem ich das Haus gebaut und finanziert habe?
- Kann ich das Haus verkaufen, obwohl es noch nicht komplett abbezahlt ist (Vorfälligkeitsentschädigung)?
- Was ist, wenn es mir an diesem Ort nicht mehr gefällt?
Verpflichtungen
Aspekte und Fragen aus Sicht Hausbau
- Eigentum verpflichtet
- Ist der zeitliche Aufwand für die Instandhaltung des Hauses bewusst (Handwerker organisieren, Putzen, Gartenarbeit, Streichen, …) oder macht mir dies sogar Spaß?
- Ist Instandhaltung des (großen) Hauses im Alter körperlich noch möglich?
Aspekte und Fragen aus Sicht Mieten
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Bei einem Problem mit der Heizung rufe ich einfach den Vermieter an.
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Möchte ich mich mit anderen Arten der Kapitalmarktanlage beschäftigen?
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Habe ich genügend Disziplin über die nächsten 30 Jahre konsequent jeden Monat in meine Vermögensbildung zu investieren anstatt in zusätzliche Konsumgüter (Autos, Urlaube, Elektronik, …)?
Persönliches Fazit
Wie ich im Abschnitt Rendite dargestellt habe, hängt es von vielen Faktoren und Entwicklungen in den nächsten 30 bis 40 Jahren ab, ob eine Wohnimmobilie finanziell besser oder schlechter rentiert als ein Leben zur Miete mit parallelen Investmentportfolio. Eine Vorhersage, wie diese Faktoren sich über die nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte entwickeln ist, wenn überhaupt, nur bedingt möglich.
Aufgrund dieser Tatsache vertrete ich den Ansatz bei der Entscheidung „Hausbau oder mieten“ den Faktor „Rendite“ nicht in die Argumentation mit einzubeziehen.
Meine Empfehlung für die Entscheidungsfindung ist deshalb:
- Ich versuche nicht den Hausbau durch eine Milchmädchenrechnung mit der verschenkten Miete zu begründen sondern bin mir aller Faktoren und deren komplexer Vorhersage bei der Betrachtung der wahren Rendite bewusst.
- Ich beantworte alle Fragen zur Liquidität und dem Risiko der Vermögensanlage sowie alle Fragen zu meinem persönlichen Lebensstil bzw. meiner Zukunftsplanung ehrlich und schriftlich für mich selbst.
- Ich lege alle meine schriftlichen Antworten nebeneinander und bewerte jeweils die Priorität (z.B. von 1 bis 3) um somit zu einer Entscheidung zu gelangen.